Leserbrief zum Samstagskommentar von Stefan Schmid „Der trügerische Charme tiefer Steuern“
Chefredaktor Schmid führt in seinem Kommentar die hohen Steuerfüsse der Städte St. Gallen und Rorschach auf ein Kultur- und Freizeitangebot zurück, das seinesgleichen suche. Dem muss widersprochen werden. Der einzige Grund für die hohen Steuern in allen Städten und Zentren im Kanton liegt im verfassungswidrigen Finanzausgleich. Der Kanton hat vor zehn Jahren den Gemeindesteuerfuss-Wettbewerb angeheizt mit dem Ergebnis, dass er 210 Mio. Steuerfranken verteilt und trotzdem nicht mehr akzeptierbare Verzerrungen unter den Gemeindesteuerfüssen geschaffen hat. Die Stadt St. Gallen erhält 20 Mio. Franken Ausgleichszahlungen. Dennoch bleibt sie auf 10 Mio. ungedeckten Zentrumslasten sitzen. Die umliegenden Gemeinden haben diese Kosten nicht und konnten die Steuern reduzieren. Der tiefste Steuersatz beträgt im Kanton nun 75%, der höchste 162 %. Mittlerweile bezahlen Einwohner von St. Gallen oder Rorschach fast doppelt (!) soviele Gemeindesteuern als diejenigen von Mörschwil. Eine allleinstehende Person mit einem steuerbaren Einkommen von 80‘000 Franken bezahlt in St. Gallen 16‘600 Franken statt 11‘800 Franken in Mörschwil. Und es ist ja nicht so, dass Einwohner in St. Gallen von luxuriösen Gemeindedienstleistungen profitieren und diejenigen in Mörschwil mit minimalstem Bürgerservice auskommen müssten. Der Steuerwettbewerb hat ruinöse Ausmasse angenommen. Es braucht dringend eine Korrektur zu Gunsten der Städte.
Guido Etterlin, Stadtrat, Kantonsrat SP
Schützenstrasse 16, 9400 Rorschach
Nachtrag:
Ich bin der Meinung, dass der Bürgerservice in allen St. Galler Gemeinden – egal ob hohe oder tiefe Steuern – gut und bürgerfreundlich ist. Ich habe damit der These von Stefan Schmid widersprochen, dass sich die Städte mit hohen Steuern einen aufgeblasenen Verwaltungsapparat leisten, wogegen die anderen tatsächlich nur das nötigste bieten. Die Gemeindefinanzen sind kein freier Markt, sie sind das Ergebnis der kantonalen Rahmenbedingungen. Die wesentlichen Verzerrungen in den Gemeindefinanzen liegen im Finanzausgleich begründet. Und dieser wiederum ist klar verfassungswidrig. Der Finanzausgleich hat gemäss unserer Kantonsverfassung zum Ziel, den politischen Gemeinden die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, finanzielle Unterschiede zwischen den Gemeinden zu verringern und übermässige Belastungen der Gemeinden auszugleichen. Es wird mir oft in unserer Region unterstellt, wir Rorschacher seien neidisch auf die tiefen Gemeindesteuerfüsse der umliegenden Gemeinden. Dem ist nicht so. Ich freue mich für alle Nachbargemeinden, für ihren Standortvorteil mit tiefen Steuern. Ich setze mich aber mit Vehemenz dafür ein, dass die grossen ungedeckten Zentrumslasten anerkannt und durch den Kanton finanziell abgegolten werden.